Im Interview: Harald Rehberg Wachstumsfonds Mittelstand Sachsen

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„Mittelstand in Sachsen besticht durch Kreativität und Pragmatismus“

Harald Rehberg, Geschäftsführer des Wachstumsfonds Mittelstand Sachsen (WMS), spricht mit Gemeinsam für Leipzig über den sächsischen Mittelstand, Nachfolgeregelungen und Wachstum.

Herr Rehberg, der Wachstumsfonds Mittelstand Sachsen (WMS) begleitet Mittelständler in Sachsen partnerschaftlich als Eigenkapitalgeber. Was macht die mittelständischen Unternehmen im Freistaat so besonders?

In erster Linie besticht der sächsische Mittelstand durch Kreativität und Pragmatismus. Dank dieser Eigenschaften – verbunden mit einer gewissen Beharrlichkeit – konnten sich viele unserer Unternehmen wieder eine gute Marktposition erarbeiten. Auffällig bleibt jedoch die Kleinteiligkeit des sächsischen Mittelstandes. Dies ist sicherlich der Historie geschuldet. Anders als in den alten Bundesländern fehlen in Sachsen, wie in Ostdeutschland insgesamt, große Konzerneinheiten. Die Herausforderung für kleinere und mittlere Unternehmen besteht darin, mit den – im Vergleich zu größeren Betrieben – begrenzten Ressourcen, beispielsweise im Hinblick auf F&E-Ausgaben, wettbewerbsfähig zu agieren. Wir erleben allerdings immer wieder, dass dies sehr gut gelingen kann. Der sächsische Mittelstand ist vor allem dank seiner Unternehmer und Arbeitnehmer erfolgreich. Nicht umsonst wurde vor einigen Jahren „fischelant“ als beliebtestes Wort in Sachsen gewählt. Dies spiegelt bis heute gut den Zeitgeist im Freistaat wider.

Der Bundesverband der deutschen Industrie hat eine Umfrage durchgeführt. Deren Ergebnis: Die gute Stimmung im industriellen Mittelstand hat einen neuen Höchststand erreicht. Mit fast 60 Prozent bescheinigen sich im Vergleich zum Vorjahr nochmals zwölf Prozent mehr Unternehmen eine gute bis sehr gute Geschäftslage. Für 2018 herrscht jedoch nur bedingter Optimismus. Wie beurteilen Sie die Situation in Sachsen?

Fakt ist, dass sich die deutsche Wirtschaft sehr gut entwickelt hat, das zeigt ja die angesprochene Umfrage. Auch der sächsische Mittelstand konnte dabei punkten: 2016 ist die deutsche Wirtschaft im Vorjahresvergleich um 1,9 Prozent gewachsen. Sachsen war einer der Spitzenreiter mit einem Zuwachs von 2,7 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt. Das ist gut und wichtig für unser Bundesland.

Bezogen auf das komplette Bundesgebiet wird sich noch erweisen, wie sich die neuen politischen Rahmenbedingungen im Inland auf die Wirtschaft auswirken. Auch die außenpolitischen Veränderungen gilt es vor dem Hintergrund der Exportstärke Deutschlands zu beachten. Beides trifft sicherlich auf den Freistaat Sachsen zu. Wichtig ist zudem, sich gerade in kleinen und mittleren Unternehmen mit den Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung zu befassen sowie dem anhaltenden Fachkräftemangel zu begegnen.

Wie kann insgesamt das weitere Wachstum vorangetrieben werden?

Letztlich haben Unternehmen zwei Möglichkeiten sich zu vergrößern: durch organisches oder anorganisches Wachstum. Beim organischen Wachstum erfolgt dies „aus eigener Kraft“, beispielsweise durch neue Produkte, Internationalisierungsstrategien oder Gewinnung neuer Zielgruppen. Letztlich geht es immer wieder darum, den eigenen Marktanteil auszubauen. Häufig sind hierfür allerdings signifikante Investitionen nötig. Ein Portfoliounternehmen von uns – die Dr. Födisch AG aus Markranstädt (www.foedisch.de) – hat zum Beispiel erfolgreich diesen Weg der Internationalisierung beschritten und sich damit vollkommen neuen Abnehmern geöffnet. Alternativ kann Wachstum auch durch Zukäufe erfolgen, also „extern“. Dies ist nicht nur eine Strategie für größere Unternehmen, sondern sollte auch durch Mittelständler verfolgt werden. Durch Zukäufe von Wettbewerbern oder Zulieferern kann das Leistungsspektrum vergleichsweise schnell ausgebaut und damit die eigene Positionierung gefestigt beziehungsweise verbessert werden. Ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche buy-and-build-Strategie ist beispielsweise die inhabergeführte und auf Kunststoffverarbeitung spezialisierte Unternehmung „addfinity testa GmbH“ mit Sitz in Hartha (www.addfinity-testa.de). Diese durften wir als WMS bei ihrer Entwicklung begleiten.

Viele mittelständische Unternehmen suchen händeringend nach entweder qualifizierten Arbeitskräften oder aber auch nach Nachfolgern. Gerade letzteres ist seit Jahren ein Dauerbrenner. Welche Hilfe kann der WMS bieten?

Dem Thema Fachkräftemangel kann man am besten begegnen, indem man sich durch organisches oder anorganisches Wachstum erfolgreich am Markt positioniert und somit attraktiv für potentielle Arbeitnehmer ist. Die Regelung der Nachfolge ist eine weitere Herausforderung, der sich gerade auch der sächsische Mittelstand gegenüber sieht. Prof. Dr. Lahmann von der Handelshochschule Leipzig (HHL) hatte hierzu kürzlich eine Umfrage bei den Unternehmen im Freistaat durchgeführt und kam zu dem Ergebnis, dass das Thema von hoher Relevanz ist, aber gerade eine familieninterne Lösung in Sachsen zumeist nicht gegeben ist. Aus diesem Grund muss in der zweiten Führungsebene oder außerhalb des Unternehmens gesucht werden, um einen passenden Nachfolger zu finden. Hierzu lohnt es sich, auf externe Unterstützung zurückzugreifen. Bei diesen Themen begleiten wir als WMS die Unternehmen gerne – sowohl durch die Bereitstellung von Eigenkapital als auch durch unser Know-how. Wir sind seit über 20 Jahren in Sachsen aktiv und können damit entsprechende Erfahrungswerte und ein umfassendes Netzwerk bieten.

In welche Branchen investiert der WMS?

Grundsätzlich schauen wir uns jede Branche an. Wichtig für uns ist, dass die Unternehmen ihren Sitz oder eine Betriebsstätte in Sachsen haben und eine gewisse Größe aufweisen (in der Regel etwa fünf Millionen Euro Umsatz). Alle weiteren Aspekte besprechen wir individuell mit den Unternehmern. Die Finanzierungsstruktur ist immer speziell auf die Unternehmenssituation zugeschnitten, so dass bei uns kein Vertragswerk dem anderen gleicht.

Wann wenden sich Unternehmer konkret an Sie?

Die wichtigsten Finanzierungsanlässe, mit denen Unternehmer auf uns zukommen, sind die bereits angesprochenen organischen Wachstumsvorhaben, geplante Zukäufe, Altersnachfolgelösungen, aber auch die Herauslösung einzelner Gesellschafter. Oftmals diskutieren die Unternehmer zunächst auch nur ihre jeweiligen Fragestellungen mit uns, um sich selbst ein besseres Bild von ihren Möglichkeiten zu machen. Dafür stehen wir gerne bereit, denn letztlich ist Vertrauen die Basis in unserem Geschäft und dies ist ebenfalls etwas, was über die Zeit wachsen muss.

www.wachstumsfonds-sachsen.de

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Im Bild: Harald Rehberg (2.v.r.), Geschäftsführer des Wachstumsfonds Mittelstand Sachsen, überreichte im Beisein von Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (r.), Steffen Foede, Vorstand von Gemeinsam für Leipzig e.V. (l.) sowie Moderatorin Rommy Arndt den Wirtschaftspreis an Steffen Paufler von Kirow & Ardelt. Foto: GfL/Justen

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